Von Siegfried Letzel
Das Leben und Wirken Samuel Hahnemanns: Hinter einem originalen Manuskript steckt eine spannende Geschichte. Diese war jahrelang verschollen und ist nun im Besitz des Internationalen Hahnemannzentrums.
Seltene Pferdeapotheke
Das Jahr 2020 hat für uns sensationell begonnen. Wir ersteigerten eine seltene homöopathische Pferdeapotheke mit Zubehör von 1915. Auch konnten wir zwei seltene Hahnemannsche Übersetzungen aus dem Englischen aus der Zeit vor Torgau ersteigern: Die „Chemisch Pharmaceutische Arzneimittellehre“ Monros von 1794 (Erster Band), und das „Neue Edinburgher Dispensatorium“ in der Auflage von 1798 (2. Teil).
Überraschenderweise bot uns eine Sammlerin homöopathischer Literatur ein Büchlein an, mit dem wir überhaupt nicht gerechnet haben, es jemals unserer Sammlung in Torgau hinzufügen zu können, da es quasi vom Antiquitätenmarkt für historische Bücher verschwunden war: es handelt sich um das erste ausführlichere Werk Hahnemanns, das er in Torgau verfasst hat.
Es ist das im Jahre 1805 erschienene „Aeskulap auf der Waagschale“. Dieses Büchlein ist insofern von herausragender Bedeutung, weil Hahnemann damit endgültig mit der herkömmlichen Medizin brach und auf eine grundlegende Reform der gesamten Arzneikunde drängt. In dieser Schrift übt er Kritik und gibt zahlreiche Beispiele für die Unzulänglichkeit der Medizin in jener Zeit. Seine eigene diesartige „ärztliche Kunst“ hatte ihn in Resignation getrieben. Keine der gängigen Kurarten hatte einschlägige Erfolge aufzuweisen und fast alle Heilungen identifizierte er als Selbstheilungen. Der in Wien bereits praktizierte therapeutische Nihilismus, bei dem auf medizinisches Abwarten und Nicht-Eingreifen gesetzt wurde, zeigte überraschende Erfolge. Und da Hahnemann das Ähnlichkeitsprinzip bei der Arzneimittelwahl bereits für sich entdeckt hatte, glaubte er nun den Schlüssel für eine neue (der Homöopathie) in der Hand zu halten.
Aber als schon sensationell müssen wir den Zugang eines von Dr. Hahnemann verfassten Manuskripts bezeichnen. Er hat zeitlebens seine Therapiemethode durch seine und die Erfahrungen anderer verfeinert und präzisiert. So kam es, dass von seinem Lehrbuch „Organon der Heilkunst“ sechs aktualisierte Auflagen erschienen. Dabei schrieb er seine Neuerungen an die Seitenränder des eigenen Exemplars der Bücher oder fügte Zettel zwischen den entsprechenden Seiten ein. Anders bei seiner sechsbändigen „Reinen Arzneimittellehre“ – hier gab es so viele Ergänzungen und Korrekturen, dass er die Bücher für die Neuauflagen ganz neu verfasste.
Fehlende Manuskripte
Dr. Wilmar Schwabe aus Leipzig, der größte Hersteller homöopathischer Arzneien, erstand das Manuskript für die 2. Auflage des 6. Bands dieses großen Werkes Hahnemanns und ließ es zu einem Buch binden. Es befindet sich im Institut für Geschichte der Medizin der Robert-Bosch-Stiftung in Stuttgart. Jedoch fehlen die Manuskripte der letzten beiden Arzneien in diesem Band (die aber später im Druck vorhanden waren), das sind Wütherich und Zinn. Der Verbleib dieser Seiten ist unbekannt und sie gelten somit als verschollen.
Nun wurde uns ein Blatt des Manuskripts für Zinn anvertraut. Ich besuchte das Institut für Geschichte der Medizin und mit der Leiterin des Archivs konnte ich dieses Manuskriptblatt mit denen der Schwabe-Sammlung vergleichen. Papiergröße, Material, Schrift, Alter – alles passt. Aber unser Blatt wurde nie in das Buch der Schwabe-Sammlung eingebunden, es wurden keine Seiten herausgetrennt. Also waren die Manuskriptblätter vorher schon getrennt geworden. Unsere Recherche nach den verbleibenden anderen Blättern läuft bislang ins Leere, eine frühe Splittung der Sammlung wird immer wahrscheinlicher.
Nun hat das Internationale Hahnemann-Zentrum dieses einzige bekannte Blatt in Obhut und auch den Erstdruck von Hahnemanns Buch aus dem Jahre 1827, in dem der Text des Manuskripts Wort für Wort nachzulesen ist.